Das Kind als Waffe

Fast auf den Tag genau vor 10 Jahren bin ich aus der damals ehelichen Wohnung ausgezogen. Unsere Ehe war zu dem Zeitpunkt einfach nicht mehr zu retten. Es gab zu viele Reibereien, Streitereien und trotz, dass wir uns als Paar seit der Geburt unserer Tochter immer mehr voneinander entfernt haben, auch unbegründete Eifersüchteleien, dass dieser Schritt unumgänglich gewesen ist. Hinzu kam, dass unsere anhaltenden Probleme als Paar und der oftmals auch viel zu impulsiven Art der Mutter natürlich nicht vor unserer zu dem Zeitpunkt 3,5 Jahre alten Tochter gänzlich verborgen werden konnten, dass es für ihre eigene Entwicklung als Kind der „eigentlich“ richtige Schritt gewesen ist.

„Mein Kind“ und „unser Kind“

Schon während unseres Zusammenlebens als Familie gab es diese Unterscheidungen zwischen „mein Kind“ und „unser Kind“. Wo mir als Vater bewusst gewesen ist, dass wir als Eltern gemeinsam für unsere Tochter da sind, Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen, wurde ich oft vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich konnte dies aber kompensieren, denn ich war ja da und habe vieles mit Fürsorge und meiner Rolle als Vater ausgleichen können.

In dem ersten Jahr unserer Trennung kamen Treffen mit unserer Tochter nur zustande, wenn ich regelrecht darum gebeten habe oder wenn die Mutter parallel etwas wollte, was sie damit verbinden konnte. Schon damals wurde unsere Tochter als Druckmittel benutzt. Es gab nie mehr eine s.g. Zweisamkeit zwischen unserer Tochter und mir, stets war die Mutter dabei, stets stand sie im Vordergrund, stets zählten ihre Bedürfnisse. Meine Bedürfnisse waren nichts wert. Schlimmer noch, die möglichen Bedürfnisse unserer Tochter wurden nicht gesehen. Es galt nur das was die Mutter wollte und entschieden hat. Die Mutter kannte mich und wusste, meinen empfindlichsten Punkt zu treffen. Doch hat sie schon damals zu sehr auf sich und mich geschaut und dabei unsere Tochter übersehen. Dennoch habe ich lange (vielleicht zu lange) an das Gute in ihr als Mutter geglaubt und war überzeugt, wir schaffen es als verantwortungsvolle Eltern.

Entfremdeter Vater, Kind als Waffe, Druckmittel

Die Tochter – vom Druckmittel zur Waffe

Nach einem weiteren Jahr der Bittstellungen und der immer sturer werdenden und auch hassgetriebenen Haltung der Mutter bin ich den Schritt vor das Familiengericht gegangen, um das Umgangsrecht zu beantragen. Ein Schritt, der völlig gegen mein Naturell gewesen ist, denn -wie gesagt- Entscheidungen sollten gemeinsam von uns als Eltern und nicht von Dritten getroffen werden.
Ein Schritt, den ich aber gehen musste, denn die Mutter hat unserer Tochter und mir sämtliche Wege zueinander versperrt.

Das manipulierte Kind

Heute bereue ich diesen Schritt! Auch wenn ich weiß, unsere Tochter wurde schon vorher und auch schon während unseres Zusammenlebens manipuliert bzw. zumindest stark von ihrer Mutter beeinflusst, war sie seitdem nicht mehr nur das Druckmittel, sondern eine Waffe. Die größte Waffe ihrer Mutter! Sie musste bereits einen Verlust hinnehmen und konnte diesen doch gar nicht richtig verstehen, geschweige denn verarbeiten.
Sie ist dazu bereits als kleines unschuldiges Kindergartenmädchen in einen Loyalitätskonflikt geraten. Und sie wurde dennoch weiter manipuliert und darauf trainiert, dem Verfahrensbeistand und dem Gericht gegenüber auszusagen, ich hätte sie geschlagen und sie habe häusliche Gewalt miterleben müssen. So schlimm dieser Vorwurf an mir als liebenden, stets fürsorgenden und weitsichtigen Vater nagt, geht es mir hierbei nicht einmal um diesen Vorwurf an sich, der ja gegen mich gerichtet ist, der mich als Täter darstellt und der einzig der Sache dienen sollte.

Ich frage mich noch heute, wie kann ein Elternteil, der von sich behauptet sein Kind zu lieben, seinem Kind eine solche Last aufbürden? Wie kann ein Elternteil gegen den anderen mit allen Mitteln so sehr kämpfen und dabei so blind und niederträchtig sein, das eigene Kind, das zu ihm hinaufschaut, den es liebt, dem es vertraut, so sehr zu manipulieren, zu missbrauchen und seelisch zu misshandeln?

Ich genauso Opfer bin, wie auch sie Opfer ist

Wenn unsere Tochter heute gefragt werden würde, ob sie sich an ihre frühe Kindheit an der Seite von Mama und Papa erinnert, müsste sie, wenn sie dann ehrlich und frei antworten könnte oder dürfte, erzählen, welch schöne Erinnerungen sie hat und wie viele schöne Momente sie auch mit ihrem Papa hatte. Und dennoch schwebt dort dieses Damoklesschwert ihrer frühkindlichen Aussage über ihr, die zeigt, wie Erinnerungen verwischt oder gar gelöscht werden können und was induzierte Eltern-Kind-Entfremdung durch Manipulation, falschen Geschichten etc. mit einem Kind macht!
Als Mann und s.g. Täter wünsche ich mir, all diese Erinnerungen können nicht verwischt und gelöscht werden und unsere Tochter weiß, was die Wahrheit ist und dass ich genauso Opfer bin, wie auch sie Opfer ist. Als dann Vater wünsche ich ihr aber irgendwie, so paradox es klingt, dass sie dieses Bild von mir im Kopf hat, dass sie den vielen Geschichten und ihren eigenen Aussagen Glauben schenkt und dass ihr im letzten Jahr ausgesprochener Hass auf mich tatsächlich besteht und nicht nur eine weitere Aussage war, um Mama dienlich zu sein. Denn alles andere ist sicher ein wiederkehrender Kampf mit sich selbst, begleitet von eben diesen dann doch noch schönen Erinnerungen und den Vorwürfen sich selbst gegenüber.

Ich weiß nicht, wo ich stehen würde oder wer ich sein würde, hätte ich nicht meine heutige Frau kennengelernt und hätten wir nicht eine wundervolle Tochter bekommen. Beide geben mir als Mann und als Vater so viel mit, lehren mir Dinge, die ich vorher nicht kannte. Ich bin trotz meiner Vorgeschichte und den täglichen Gedanken an meine großen Tochter so dankbar, dieses Leben an der Seite von den beiden zu führen. Ich bin kein Mensch, der seine Dankbarkeit offen nach außen trägt, aber ich denke, ich zeige auf meine eigene Art tagtäglich meine Dankbarkeit gegenüber den beiden.

Meine Dankbarkeit

Ich bin auch sehr dankbar für all die vielen Menschen unter euch, die ich durch das Thema rund um Eltern-Kind-Entfremdung im Laufe der vielen Jahre kennengelernt habe. Ich hätte es euch und mir natürlich gewünscht, wir hätten uns niemals kennengelernt, denn dann wäre dieser Kelch an uns allen vorbei gegangen. Doch teilen wir alle dasselbe Schicksal. Wir wurden entfremdet von unseren Kindern oder Enkelkindern, unsere Kinder oder Enkelkinder wurden von uns und weiteren Familienmitgliedern entfremdet.

Wir kämpfen jeder für sich in eigener Sache und wir haben gelernt, dass wir nicht alleine sind mit unserem Kampf und dass wir in der Gemeinschaft mehr bewegen können, als jeder für sich alleine. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn wir alle und besonders all die abertausend betroffenen Kinder und junge Erwachsene haben es verdient, gesellschaftlich, politisch und letztendlich
rechtlich Gehör zu bekommen, dass sich endlich etwas in die richtige Richtung verändert!

Zweifellos: ES MUSS SICH ETWAS ÄNDERN und daher geht mein Dank auch an all die Vereine hinter der Kampagne von www.genug-traenen.de .

Mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe möchte ich mich ganz herzlich bei dir, liebe Elvira, für diesen meinen ersten Blogbeitrag bedanken.

„Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“