Wie meine Tochter manipuliert und entfremdet wurde
Ich heiße Julia und bin 49 Jahre alt und arbeite als Direktionsassistentin für 3 Professoren an einer Universität. Ich habe 3 Töchter, von denen ich zur jüngsten keinen Kontakt mehr habe.
Die Entfremdung fand über 8 Jahre, schleichend im Hintergrund statt, ohne das ich großartig etwas davon bemerkt habe. Als meine Tochter gerade 13 Jahre geworden war, hatte ihr Vater sie dann endlich soweit, dass sie glaubte, bei mir todunglücklich zu sein und zog zum Vater. Das ging ohne Gericht, da ich den Willen meines Kindes akzeptierte. Hätte ich gewusst, dass es 3 Jahre später, als sie fast 16 war, zum totalen Kontaktabbruch kommt, ich hätte sie nicht gehen lassen. Aber niemals habe ich es für möglich gehalten, dass ein Vater sein Kind so beeinflusst, dass es eine zuvor völlig intakte Beziehung zur Mutter bewusst zerstört.
Rückblickend
Rückblickend erkenne ich viele Anzeichen, die ich damals zwar als verstörend oder ärgerlich, aber nicht als bedrohlich empfunden habe. Die Trennung vom Vater ging von mir aus und verlief friedlich. Mein Ex-Mann weinte am Tag der Scheidung, nachdem er zuvor gesagt hatte, er wäre froh, dass ich ihm die Entscheidung abgenommen habe.
Nach 6 Monaten saß er bei mir am Küchentisch und verkündete, dass er alles bereits mit seinem Arbeitgeber und seiner Mutter geklärt habe – die Kinder kämen zu ihm. Die einzige, mit der er das offensichtlich nicht besprochen hatte, war ich. Das war das erste Mal nach unserer Scheidung, dass ich wütend auf ihn war und ihn aus meiner Wohnung jagte.
Offenbar war sein Ego stark gekränkt und er wollte sich damit an mir rächen.
Kooperativ
Trotzdem konnten ihn die Kinder, die den Wunsch zum Vater zu ziehen nie geäußert haben, jederzeit sehen. Auch außerhalb der Besuchswochenenden. Ich belieferte ihn freiwillig mit allen wichtigen Informationen bezüglich der Kinder, weil das für mich selbstverständlich war. Ich sprach vor den Kindern nie schlecht über ihn. Ich glaube, ich war wirklich eine gute Ex-Frau. Für ihn und die Kinder.
Im Nachhinein denke ich, ich hätte auch mal etwas Negatives über ihn sagen sollen, dann hätte es wenigstens einen Gegenpol zu seinen Verleumdungen gegeben.
Immer wenn eins der Kinder ein Problem hatte und das mit ihm besprechen wollte, sagte er, dass er das zuerst mit dem Kind bereden wolle. Das ist meiner Meinung nach die falsche Teambildung, wenn es um Erziehung geht. Ein weiteres Gespräch gab es dann auch nie. Meistens hörte ich von dem entsprechenden Kind, dass Papa aber gesagt habe, es müsse das nicht oder es dürfe das. Auf jeden Fall konnte ich nie auf seine Unterstützung zählen. Als er anfing über meinen neuen Partner [heute Ehemann] zu schimpfen, lud ich ihn auf ein gemeinsames Grillen ein, damit man sich besser kennenlernen könne. Das wollte man Ex-Mann aber nicht.
Umzug
Als unsere Familie 3 Jahre später aus beruflichen Gründen ins nahegelegene Elsass zog, ging der Kindesvater ohne Vorankündigung vor Gericht. Es ging ihm um die jüngste Tochter.
Für sie hatte sich nicht viel verändert. Sie ging weiterhin auf dieselbe deutsche Schule und konnte am Nachmittag dort ihre Freunde besuchen. Lediglich ihr Bett stand in einem anderen Land. Da sie Asperger Autismus hat und daher wenig persönliche Kontakte, war das für sie nicht weiter schlimm. Sie pflegte ihre Kontakte vornehmlich online, weil das für sie einfacher war.
Burnout beim Vater
Vor Gericht versuchte ich wahrheitsgemäß zu argumentieren, dass ein chronisch depressiver Vater, der am Wochenende meist im verdunkelten Schlafzimmer liegt und nicht ansprechbar ist, es schwer haben dürfte, sich ausreichend um ein pubertierendes Mädchen zu kümmern. Zweimal war er auch bereits für jeweils 8 Wochen wegen Burn-Out in einer Kur gewesen. Ich war überzeugt, dass dies gute Argumente seien. Die Richterin fand das jedoch ganz toll und lobte ihn dafür, dass er sich behandeln lasse und sich „um sich kümmere“.
Ein Problem für unser gemeinsames Kind sah sie darin nicht.
Da sich unsere Tochter jedoch weder für noch gegen jemanden aussprach, durfte sie letztendlich bei mir bleiben.
Ein Wechselmodell wurde nie vorgeschlagen und ich hatte das damals auch nicht auf dem Schirm. Ich kannte es gar nicht. In meinem Umfeld gab es nur Residenzmodelle. Das ist längst nicht mehr überall so in Europa und das finde ich gut.
Es hätte mir den Wiedereinstieg ins Berufsleben sehr erleichtert.
Der Tochter aber, ging es in den 2 Jahren danach immer schlechter. Der Vater redete alles schlecht, was mit Frankreich zu tun hatte. Und er redete weiterhin negativ über meinen neuen Mann. Die Großmutter ebenfalls. Sie sagte mir einmal, dass es unverantwortlich von mir gewesen sei, ins AUSLAND zu ziehen.
Ungenutzte Chancen
Das dies ja auch eine Chance und ein Plus für alle hätte sein können – nebenbei neue Sprache lernen, neue Kultur erfahren, Horizont erweitern, dass wollte niemand sehen. Und man muss sagen, dass die Grenzregion [Deutschland, Schweiz, Frankreich] rund um den Wirtschaftsraum Basel völlig durchmischt von den verschiedensten Nationalitäten ist. Viele Deutsche, die dort arbeiten, leben in Frankreich. Das ist hier nichts Ungewöhnliches. Die Schulen sind im Elsass sogar zweisprachig. Mein Ex-Mann arbeitet selbst in Basel und weiß das alles.
Naja mein Kind zog also zum Vater nach Deutschland. Ich hingegen für mehrere Monate in eine Psychotherapie, weil ich unter dem Weggang meiner Tochter sehr litt, die ich 13 Jahre lang morgens bis abends betreut hatte.
Komischerweise wollte meine Tochter dann plötzlich und freiwillig! französisch lernen. So schlimm kann das Land also nicht gewesen sein.
Und mit dem Umzug zum Vater musste sie nun die Schule wechseln und weit weg von ihren persönlichen Freunden ziehen.
Das war für den Vater aber völlig in Ordnung so.
Von dem Moment an, war ich draußen.
Liebe Julia, ich danke dir jetzt schon für deine Offenheit und freue mich darauf, nächste Woche Teil 2 veröffentlichen zu können.
Nächste Woche geht es mit Julia’s unglaublicher Entfremdungsgeschichte weiter.
Narzissmus_spektrum
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